Das Sommergewitter hatte alle überrascht.
Eine halbe Stunde zuvor saßen die Menschen noch vor dem kleinen Café, tranken Cappuccino, gönnten sich einen Erdbeerspezialbecher oder versuchten der Hitze mit einem Radler Herr zu werden.
Die heftige Windböe, eine tiefschwarz aufgeblähte Wolke und ein markerschütternder Donnerschlag beendeten die Sommerfreude.
Die Gäste fuhren aus ihren Stühlen, schnappten ihre Kinder, Taschen und Getränke, zogen ihre Jacken über die Köpfe und liefen wie Ameisen wild durcheinander.
Manche huschten unter den Kastanienbaum, andere rannten ins Innere des Cafés und ich, die eigentlich nur die Straße entlanglaufen wollte, hatte die scheinbar gute Idee, in der Telefonzelle Schutz zu suchen.
Meine Bluse klebte bereits an meinem Rücken, meine Schuhe waren durchnässt und eine Gänsehaut ließ mich erzittern.
Keuchend öffnete ich die Tür und huschte hinein. Schnell wollte ich die Tür hinter mir zuziehen, doch ein breiter, nasser Mann hatte ebenfalls die Idee.
„Auf die Seite,“ herrschte er mich an.
Da stand ich nun. Seite an Seite mit einem Fremden. Kein Blatt Papier hätte mehr zwischen uns gepasst.
Ich hörte seinen Atem, und roch sein Rasierwasser, das mein geschiedener Mann immer an sich hatte. Das weckte unangenehme Erinnerungen. Mein Puls klopfte beängstigend in meinem Hals. Mein Innerstes stand auf Flucht!
Doch vor der Scheibe fielen jetzt erbsengroße Hagelkörner.
„So ein Sauwetter“, brüllte er gegen die trommelnden Hagelkörner.
„Schreien Sie doch nicht so,“ brüllte ich zurück und hielt mir die Ohren zu. Die Luft schien knapp zu werden, ich fing an zu schwitzen, das Atmen fiel mir schwer.
So ein ungehobelter Typ. Unter seinen Achseln waren feuchte Flecken, die sicher nicht aus Regenwasser waren.
Verdammt, wann hört es auf, dachte ich. Ich bekomme gleich einen Anfall.
Beide starrten wir nach draußen, ich bedauerte trotzdem die Bemitleidenswerten, die noch kein Plätzchen gefunden hatten und durch die Pfützen rannten.
Absichtlich schaute jeder in eine andere Richtung. Auf einmal fiel mir auf, dass dies zwar früher eine Telefonzelle war, jetzt aber eine Bücherzelle war. Hier konnte jeder Bücher reinlegen, die er nicht mehr wollte oder eins mitnehmen.
Ich liebe Bücher.
Um mit dem Typ nicht reden zu müssen, schaute ich die Buchtitel an. Mein Blick strich an den Buchrücken entlang und blieb hängen:
„Die Wand von Marlen Haushofer.“
Ich griff zu und zog es heraus.
„Ein wunderbares Buch, hab´s gelesen, sehr zu empfehlen,“ sagte der Mann.
Ich machte wirklich große Augen. Ein Mann! Dieses Buch?
„Ich kenne es, es ist mein Lieblingsbuch.“
Zum ersten Mal schaute ich ihm ins Gesicht, in seine wasserklaren Augen. Und was tat er? Er grinste. Seine Augen strahlten und ich lächelte zurück.
Das Gewitter dauert noch einige Zeit, aber das war nun nicht mehr so schlimm. Wir fingen an, uns wunderbar zu unterhalten. Über Bücher, über das Leben, über Gott und die Welt. Die Enge der Bücherzelle wurde plötzlich sehr interessant. Zwischen uns entstand augenblicklich eine Vertrautheit, mit der keiner von uns gerechnet hätte.
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