Gedankenfrüchte
Gedankenfrüchte

Schwarz

 

Zwei Stunden noch.

Dann werden sie mich holen.

Heute Nacht habe ich also meinen letzten Traum geträumt. 

Ich saß auf einer apfelgrünen Kuscheldecke mit weißen Häschen drauf. So eine, wie meine Lieblingsdecke in meinen Kindertagen. Ich saß im Schneidersitz darauf, die Decke bewegte sich plötzlich, wie Wellen und ich musste mich an ihr festhalten. 

Dann flog sie mit mir hoch, den Wolken und dem Himmel entgegen. Der Wind umschmeichelte mich warm und sanft. Wie gerne deute ich es als gutes Zeichen. Ich hoffe, ich komme in den Himmel, denn ich habe nichts Böses getan. 

Aber sie glauben mir nicht. Niemand glaubt mir.

Meine Großmutter sagte einmal zu mir: Wenn du schwarz bist, glaubt dir niemand. Du bist schwarz, also schuldig. So ist das.  Außer du bist sehr reich oder mit sehr mächtigen Freunden gesegnet. 

Ich bin nichts von beidem. Ich bin nur schwarz. Meine Haare sind schwarz, meine Haut ist schwarz, nur die Narben an meiner Wange, an den Beinen und meinem Rücken sind rot.

Rot, wie die Lippen von Emily. Wie können sie nur glauben, dass ich ihr etwas angetan haben könnte? Ich habe sie geliebt, wie nichts auf der Welt. Ich war an dem Abend gar nicht bei ihr, aber ich war ihr Freund, bin schwarz und alles ist für sie klar.

Mein einziger Trost ist mir der Gedanke, dass wenn sie mich holen, ich bald bei ihr sein werde.

Aber noch lebe ich und in mir steckt jede Menge Wut, so viel, dass ich meine, explodieren zu müssen. Ich bin so machtlos. Den wahren Täter haben sie nicht gefunden, ja, sie suchen nicht einmal nach ihm! 

Sie haben ja mich.  

Sie drehen mir das Wort im Mund herum. Egal was ich sage,  sie legen es mir falsch aus und schreiben es auf. Alles, was geschrieben steht, ist wahr für sie. Und er wird für immer ungestraft bleiben.

Ob es sehr weh tut, wenn der Strom durch meinen Körper fließt? Ich hoffe, dass meine Mutter nicht dasitzt. Ich will nicht, dass sie das sehen muss!

Damit ich nicht durchdrehe, stauche ich gegen die Pritsche und wische meine feuchten Augen mit meinem verdammt schwarzen Handrücken ab. Hoffentlich geht es schnell. Sollen sie doch endlich kommen! Ich bin froh, gehen zu können. 

„Froh“, schreie ich gegen die vollgekritzelte Wand. „Froh bin ich. In eurer hässlichen Welt will ich gar nicht mehr leben. Pfui!“

Ich spucke auf den Boden.

Und ohne Emily schon gar nicht! 

Nicht einmal auf ihre Beerdigung haben sie mich gelassen. Ich hoffe, sie hatte schöne Blumen. Vielleicht sogar ein paar Douglasienzweige von ihrem Lieblingsbaum. Wenn ich nur daran denke, muss ich schon heulen.

Da geht die Türklappe auf.

„Tyler, hier kommt deine Henkersmahlzeit. Lass dir Zeit, hahahaha.“ Schnell wische ich über mein verheultes Gesicht.

Dieses hässliches Lachen werde ich bald nicht mehr hören, seine widerlichen Ausdünstungen nicht mehr einatmen müssen.

Dann werde ich endlich wieder bei dir sein, Emily.

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© Beate Treutner