Gedankenfrüchte
Gedankenfrüchte

Wo bin ich?

Wo bin ich?

Der Griff zur Lampe auf meinem Nachttisch geht ins Leere. Blind taste ich umher, will aufstehen. Fühle, dass ich nicht in meinem Bett, sondern auf dem Boden liege.

Wo bin ich, frage ich mich wieder und wieder. Um mich herum Stille, absolute Stille.

Selbst das Geräusch meines Atems wird von der Stille gedämpft.

Mühsam, weil kaum dem Schlaf entronnen, rapple ich mich auf und taste den Boden ab. Auf allen Vieren irre ich in der Dunkelheit umher, um irgendetwas zu entdecken, das mir meine bohrende Frage beantwortet.

Nichts!

Ich kann nirgends ein Fenster erahnen, sehe nicht den Hauch eines Lichtstrahls.

Es muss ein großer Raum sein, denn auch nach zehn, zwölf Krabbelschritten, die ich vorwärts irre, stoße ich auf keinen Gegenstand.

Dann endlich eine Wand. Weich. Wie Schaumstoff. Ich ziehe mich an ihr hoch, taste in alle Himmelsrichtungen. Keine Lampe, keine Decke. Nichts!

Ich bin in einem leeren Raum. Aber wo? Wie bin ich hier her gekommen?

Mit dem Rücken zur Wand, die Arme weit ausgebreitet, taste ich mich entlang. Ich laufe, tripple, schnell, schneller und finde keine Tür, kein Fenster, keine Ecken.

Der Raum ist rund. Natürlich! Vielleicht bin ich wieder am Startpunkt?

Ich muss eine Markierung legen!

Ein Schuh. Gute Idee. Ja, ein Schuh!

Entsetzt stelle ich fest, dass ich keine Schuhe trage. Wurden sie mir ausgezogen? Von wem? Was hat man mit mir vor?

Ach, ich trage einen Schlafanzug? Ist das alles nur ein Alptraum? Mein Hals schnürt sich enger. Dann will ich jetzt sofort aufwachen! Ich spüre wie mein Blut durch meine Adern rauscht. Ein Schluchzen entfährt meiner Kehle.

„Hilfe! Hallo? Hiiiiilfe!“. Ich klopfe mit meinen Fäusten an die Wand. Doch jeder Laut wird von diesen watteweichen Wänden verschluckt.

Ich reiße mir mein Oberteil vom Leib, lege es auf den Boden und laufe mit meiner ausgestreckten Hand die Wand berührend, los.

Ich renne, stolpere, raffe mich wieder auf, schnaufe wie ein gehetzter Hund, doch ich konzentriere mich darauf, die Schritte zu zählen.

99 Schritte, dann bin ich wieder bei meinem Oberteil angekommen und lasse mich fallen.

Meine Gedanken überschlagen sich. Ich will hier raus. Neunundneunzig Schritte im Kreis. Ich rechne. Das Zimmer muss einen Durchmesser von fünfundzwanzig Metern haben.

Riesig. Fensterlos. Ohne Tür und leer.

Doch... wirklich leer? Ich muss es herausfinden, das Zimmer mit System durchsuchen. Ich lege mich auf den Boden, verschränke die Arme vor meiner Brust und rolle mich wie ein Kind, das zum Spaß einen Hügel hinab rollt, quer durch den Raum. Doch das hier ist kein Spaß. Es geht um mein Leben.

Ich rolle mich hin und her. Schweiß tropft von meiner Stirn. Ich schmecke ihn auf den Lippen.

Plötzlich kratzt etwas meine Stirn. Ich schreie vor Schreck auf und bleibe liegen. Meine Hand zittert, als ich den Boden in diese Richtung abtaste.

Ein menschliches Hüsteln, kaum hörbar.

„Hallo?“ Ich muss sehr laut reden, damit man überhaupt etwas hört. Meine Fingerspitzen spüren fremde Haut, ein Ohr, eine Nase, vor mir liegt ein Mensch. Ich schüttle ihn.

 

„Wer sind Sie? Geht es ihnen gut? Wissen Sie wo wir hier sind?“

Noch weiß ich nicht, ob ich mich freuen kann, jemand gefunden zu haben, oder ob ich vorsichtig sein sollte. Trotzdem ist es ein gutes Gefühl, nicht allein zu sein.

„Anna?“

Diese schwache Stimme ruft meinen Namen.

„Tom! Tom, bist du das?“

„Ja“, röchelt die Stimme. „Ich habe dich kommen lassen.“

Mein Herz zuckt vor Schreck zusammen.

„Oh mein Gott! Bin ich hier im Gefängnis?“

Er lacht, jedoch hörbar unter großer Anstrengung. „Nein, ich bin im Gefängnis, du doch nicht.“

„Aber...?“

„Pst, du musst mir zuhören, wir haben nicht mehr viel Zeit. Hör mir gut zu, es ist sehr wichtig!“

„Tom!“

„Psssst. Ich habe doch gesag...“. Der Rest geht in einem Hustenanfall unter.

Ich greife unter seinen Rücken und hebe ihn ein wenig an. So liegt er in meinen Armen. Ich halte mein Ohr an seine Lippen.

„Sie werden mich bald holen. Du musst mir glauben, was ich dir jetzt sage. Ich bin nicht der Mörder des Mädchens. Ich bin unschuldig.“

Ich will ihn unterbrechen, ihm sagen, dass ich das noch nie bezweifelt habe, aber ich lasse ihn weiterreden.

„Das sag ich dir, weil der Richtige immer noch frei herumläuft. Lass das Verfahren noch einmal aufrollen, sorge dafür, dass ein neues Untersuchungskomitee die Sache übernimmt. Vor allem darf Kommissar Keller nichts mit dem Fall zu tun haben. Kommissar Keller! Merke dir seinen Namen! Der Mann hat Dreck am...“

Mit einem Mal steht das Zimmer unter gleißendem Licht. Etwas zieht mir Tom aus den Armen. Ich möchte ihn festhalten, umklammere ihn so fest ich kann, aber die Kraft ist stärker.

„Bitte, tu’s für mich,“ ruft er im letzten Moment.

Fast bin ich froh über die Dunkelheit, denn das helle Licht blendet meine Augen, sodass sie tränen.

 

Das Klingeln des Telefons lässt mich zusammenschrecken.

Es dauert mehrere Minuten, bis ich registriere, dass ich in meinem Bett liege.

Wie eine Trunkene torkle ich durchs Zimmer und höre das Band ab.

Nur in Wortfetzen dringt die Mitteilung in meinen Verstand.

„Justizvollzugsanstalt ... tut uns leid... mitteilen zu müssen...  ihr Mann ... Lungenentzündung... heute Morgen...  leider.....“

Es fällt mir schwer zu begreifen, was die Worte bedeuten.

Toms Botschaft! Wie ist das möglich?

Zitternd stehe ich da. Mein Blick fällt in den Spiegel. Auf meiner Stirn leuchtet ein blutiger Kratzer. Auch wenn ich nicht begreifen kann, wie das möglich ist, weiß ich genau, was ich jetzt tun muss.

Kämpfen!

Für den Beweis seiner Unschuld.

Ich muss jetzt kämpfen.

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© Beate Treutner